Reisebericht Lampedusa

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LAMPEDUSA – Auf den Spuren von Statistiken

Schiffswrack in Lampedusa
Schiffswrack in Lampedusa

Die Insel Lampedusa ist ein präsentes Berichtthema in den Medien. Wenn von Flucht gesprochen wird, ist auch ein Bericht über Lampedusa nicht fern. Im Oktober 2013 gab es ein Bootsunglück vor der Küste Lampedusas, welches große Aufmerksamkeit in den Medien und der Gesellschaft erlangte. Es löste eine heftige Diskussion über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union aus. Aufgrund dieser großen Aufmerksamkeit besuchte ich die Insel selbst, um mir ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Was hat es mit der Insel auf sich, welche Bedeutung hat sie im migrationspolitischen Rahmen?

„Mare Nostrum“, Frontex`s Operation „Triton“ oder Statistiken von ertrunkenen Refugees sind Schlagwörter, die Zeitungsannoncen zieren, aber sie verraten nichts über die Schicksale von ankommenden Menschen, die in lebendiger Geschichte auf Lampedusa stattfindet. Die Lager vor Ort sind zur Zeit geschlossen. Momentan kommen keine Refugees an. Es scheint fast so als ob es ein „normales“ Urlaubsziel ist. Dem ist aber weit gefehlt. Militär und Polizei sind sehr präsent und bei genauerem Blick lassen sich Spuren von Migrationsgeschichte erkennen.

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Der Schiffsfriedhof im Zentrum von Lampedusa.

Im Osten der Insel liegt der kleine Hauptort Lampedusa, gleichnamig der Insel. Im Zentrum direkt neben der Insel nahe des Hafens befindet sich der Schiffsfriedhof. Dort werden alte Schiffe entsorgt, mit denen Refugees angekommen sind. Mittlerweile versucht die Insel sich von ihrem Image zu befreien. Der Schiffsfriedhof wirkt sauber und aufgeräumt. Holzsplitter sind ordentlich aufeinandergestapelt und lediglich 5 Schiffe wurden noch nicht zertrümmert. Die Farbe blättert schon ab, alte Seile und ein paar Kleidungsstücke innerhalb der Holzhaufen lassen nur erahnen, was auf den Schiffen passiert sein könnte. Geschichten spielen sich bei diesem Anblick im Kopf ab, Geschichten von untergehenden Schiffen voller Menschen. Auf einigen steht ein arabischer Schriftzug. Es ist kaum fassbar, dass auf diesen kleinen Schiffen bis zu 200 Menschen Platz gehabt haben. Im Gegenzug scheint es fast Satire, dass auf der anderen Seite kleine Yachten stehen, auf denen Menschen vergnüglich ihren Urlaub verbringen. Die Grenzen und Gesetze zwingen Menschen dazu auf solch kleinen Schiffen die raue See zu überwinden.

Tor von Lampedusa – Tor nach Europa
Tor von Lampedusa – Tor nach Europa

Ein weiteres Mahnmal für geflüchtete Menschen lässt sich an der Südseite der Insel finden. Ein fünf Meter hohes Gebilde soll an alle erinnern, die es nicht geschafft haben bis nach Europa zu kommen. Das „Tor von Lampedusa – Tor nach Europa“ wurde 2008 eingeweiht und ist seitdem das einzige Mahnmal Europas dieser Art. Filigran sind übriggebliebene Gegenstände, Schuhe und Essschalen von den Schiffwracks, sowie Gesichter und unwirkliche Zahlen eingearbeitet. Es wirkt imposant, wie es am Riff steht. Beim Blick durch das Tor erblickt man die tobenden Wellen, auf der sich sicher im selben Moment Refugees aufmachen um nach Europa zu gelangen.

Porto-M des Collectivo Askavusa. www.askavusa.wordpress.com
Porto-M des Collectivo Askavusa. www.askavusa.wordpress.com

Von außen wirkt Porto-M unscheinbar, fast ein bisschen romantisch mit den Schiffsüberresten als Fassade. Doch dieser Blick trügt beim betreten der Räume des Vereins Askavusa1, der Refugees unterstützt und Dinge von Refugees auf ihre eigene Weise darstellt. Sie haben gestrandete Gegenstände von den Schiffen gesammelt um sie auszustellen. Unverfälscht und so wie sie sind. Diese Gegenstände zu sehen, Schuhe, Rettungswesten, Bilder und Briefe, sowie Kleidung und Lebensmittel, nimmt sehr viel Raum im Herzen ein und macht traurig. Askavusa sehen eine spezielle Beziehung zu den Objekten, indem sie ihnen keine Geschichte überstülpen, sondern nur als das darstellen, was sie sind: Gegenstände, die eine eigene Identität haben. Sie wollen sie nicht verändern, säubern oder ihnen eine spezielle Funktion geben, denn dies ist schon der Weg, den die Medien mit Migrant*innen machen: Es sind Afrikaner*innen, Arme, Ausländer*innen usw. Diese Kategorien sind die, welche der Politik nutzt und denen, die ihren Vorteil in den Refugees suchen. Individuen werden zu einer Maße ohne Stimme gemacht, weil es doch nur alles verkomplizieren würde. Porto-M will dem mit ihrer „Sammlung“ entgegenwirken, die allgemein als Müll angesehen werden könnte, und eine unübersetzbare Nachricht der Menschen übersenden. Die Toten, die in den Medien als Zahlen dargestellt sind werden hier lebendig. Die Schicksale werden individuell und fassbar mit den Träumen und Hoffnungen auf dem Weg nach Europa.

Diese Orte machen die Geschichte von Migration in Lampedusa lebendig. Wie es weitergeht mit der Unterbringung von Refugees auf der Insel ist offiziell unklar. Das Haftzentrum wird momentan renoviert und es ist noch nicht abzusehen, welchen Zweck es haben soll. Eins ist aber gewiss, es wird der Abschottung Europas dienen.

So auch der Diskurs über „gewollte“ und „ungewollte“ Migration, indem Lampedusa eine zentrale Rolle spielt. Der Blick schweift dabei von den eigentlichen Ursachen und Problemen ab. Es geht darum Migration und deren Ursachen zu verstehen: Warum fliehen Menschen? In welchem Rahmen findet Flucht und Migration machtpolitisch statt? Wer profitiert davon und wie hängen Kapital und Staat damit zusammen? Sind das nicht die entscheidenden Fragen, um für die betroffenen Menschen etwas zu verändern. Dabei ist es wichtig sich selbst ein Bild zu machen und eine Gegöffentlichkeit entgegen der rassistischen Mainstreamdiskurse zu bilden.

Info: Lampedusa ist eine kleine Insel im Mittelmeer, ca. 130 km von Tunesien entfernt, jedoch gehört sie politisch zu Italien. Aufgrund dessen ist sie für die Überfahrt von Refugees ein Ziel Grenzen zu überschreiten. Die Bewohner*innen leben vor allem vom Tourismus und Fischfang.

Die Homepage des Collectivo Askavusa ist unter www.askavusa.wordpress.com zu finden.

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